Story Seeds – The Art Of Making The Future Grow
Theater stellt dem Menschen sich selbst gegenüber
Das Projekt „Story Seeds – The Art Of Making The Future Grow“ ist eine Kooperation von dem Offenen Kunstverein Potsdam und der Association Katoulati. Das Projekt wurde im Rahmen der „Teams up!“-Programmlinie des DAJW und mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) berät und begleitet Akteur*innen aus der Kulturellen Bildung bei diesen Vorhaben des Jugendkulturaustauschs.
Zu Besuch bei einer klimapolitischen Theaterbegegnung zwischen Jugendlichen aus Cotonou und Potsdam: Was kann Kunst zu einer klimagerechten Zukunft beitragen? Es wurden Problematiken thematisiert, wie: Wie erntet man den Wind? Dies ist nur ein Beispiel von vielen offenen Fragen, die sich junge Menschen aus Benin und Deutschland bei der Theaterbegegnung „Story Seeds“ in Potsdam gestellt haben.
„Story Seeds – The Art Of Making The Future Grow“, so heißt die internationale Jugendbegegnung zwischen dem Offenen Kunstverein Potsdam (OKEV) und der Association Katoulati aus Cotonou in Benin. Nach dem Aufenthalt der deutschen Jugendlichen in Benin im Jahr 2021, kamen 2022 die beninischen Teilnehmer*innen nach Potsdam und Umgebung zu Besuch. Der heiße und trockene Sommer brachte eine besondere Dramatik in das aufklärerische Anliegen des Projekts: „Climate Action“ heißt das 13. Nachhaltigkeitsziel der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, dem sich die jungen Menschen aus Benin und Deutschland stellen wollten.
Um mitzumachen, brauchte es allerdings keine Expertise auf dem Gebiet – das Projekt sollte dazu da sein, den Teilnehmer*innen wissenschaftliche Aspekte der Klimaveränderung näher zu bringen. So war die erste Woche des Projekts allein der Recherche und Wissensvermittlung gewidmet. Hierzu besuchten die Teilnehmer*innen u. a. das Geoforschungszentrum in Potsdam und lernten wissenschaftliche Fakten zum Meeresspiegelanstieg.
Wir trennen die Natur vom Menschen und sehen uns nicht als Teil von ihr
Außerdem ging es ins Futurium in Berlin. Emil, ein Teilnehmer aus Potsdam, hat dieser Besuch besonders gefallen: „Eine der Übungen bestand darin, die Augen zu schließen und uns Natur vorzustellen. Als wir sie wieder öffneten, wurde uns bewusstgemacht: Wir alle hatten uns ausnahmslos Bilder vorgestellt, in denen Menschen abwesend waren. Wir trennen die Natur vom Menschen und sehen uns nicht als Teil von ihr. So wird dann auch das Maß an Ausbeutung von Ressourcen, wie es heutzutage vorangetrieben wird, gerechtfertigt.“
Aus Widersprüchen werden Dialoge
Die globale Klimakrise sollte für das Projekt kein rein naturwissenschaftliches Problem bleiben. So besuchten die jungen Menschen auch Gedenkstätten, wie die der Berliner Mauer und das Holocaust-Denkmal, denn koloniale Herrschaft, Kriegstreiberei und Industrialisierung sind verflochten mit der Idee der Erhebung des Menschen über die Natur. Soziale und umweltliche Ungleichgewichte sind ein Ausdruck davon.
Wie möchtet ihr handeln und wie handelt ihr tatsächlich?
So kamen viele Denkanstöße zusammen, die in kreative Körperarbeit übersetzt werden wollten. Die Teilnehmer*innen arbeiteten unter der künstlerischen Leitung von Patrice aus Benin und Philip aus Deutschland mit somatischen Übungen daran, Widersprüche im eigenen Körper zu verorten. „Wie möchtet ihr handeln und wie handelt ihr tatsächlich?“, fragte Philip und ließ die jungen Schauspieler*innen sich zu dieser Frage bewegen. So setzte er die Körper in einen spielerischen Dialog mit sich selbst, aber auch mit den Körpern der anderen. Es fanden sich Paare, die zusammen eine nonverbale Erzählung entwickelten, die sie später vor den Anderen aufführten.
Im Sitzkreis wurde zusammen gegrübelt und auf Französisch, Deutsch und Englisch über das diskutiert, was gerade vorgeführt wurde. Patrice und Philip lenkten die Debatte mit Fragen und gaben konstruktives Feedback zum Ausdruck und Inhalt des Schauspiels. Hier war Raum zum Reflektieren, für Selbstkritik, gemeinsame Inspiration und Ideenaustausch. Der transkulturelle Austausch galt bei diesem Projekt auf allen Ebenen – so standen auch die Theaterpädagog*innen in wechselseitiger Kommunikation miteinander und reflektierten ihre Arbeit gemeinsam. In der Runde ging es immer wieder um das Thema: Was ist unsere Rolle im Wandel hin zu einer gerechteren, lebenswerten Zukunft? Welche Ansprüche habe ich an mich selbst und an die Gesellschaft? Was hat Kunst mit all dem zu tun und auf welche Weise können wir sie für die Erfüllung unserer Ziele nutzen?
Jede Person in der Gruppe hat eine andere Verbindung zum Thema Klimawandel
Der kreative Gruppenprozess und enge Austausch half dabei, zu begreifen, wie unterschiedlich jede Person auf die Welt blickt und mit ihr interagiert: „Dadurch, dass wir in diesem Austauschprojekt einander so intensiv ausgesetzt sind, lernen wir besser, unsere Grenzen auszuhandeln. Das lernen wir nicht, wenn wir allein zu Hause sitzen“, findet die Beninerin Douriyath, die auch die zähen Momente in der Gruppe nicht missen will. Auch Marzouk, ein Teilnehmer aus Cotonou, nimmt aus der Begegnung viel mit: „Jede Person in der Gruppe hat eine andere Verbindung zum Thema Klimawandel. Wir lernen von diesem unterschiedlichen Umgang und nehmen die Erkenntnisse mit nach Hause.“
Den Kopf aus dem Nebel ziehen
Die Teilnehmer*innen waren sich einig darin, dass es auch beim Thema Klimawandel wichtig ist, internationale Verknüpfungen und mit ihnen Erfahrungs- und Wissensaustausch herzustellen – das Klima kennt eben auch keine Grenzen. Trotzdem zu begreifen, dass sich alle je nach ökonomischen und geografischen Bedingungen unterschiedlich davor schützen und die Folgen abfedern können, ist dabei zentral. Dies gilt besonders bei Begegnungen zwischen Menschen aus dem globalen Norden und Süden.
Der grenzüberschreitende Austausch, bei dem kritische Reflexion erwünscht ist, erlaubte den Teilnehmer*innen, „den Kopf aus dem Nebel zu ziehen“, wie sie es beschreiben. „Diese Art von Austausch bedeutet uns sehr viel“, sagt Marzouk. Gemeinsamkeiten und Differenzen werden auf individueller, aber auch gesellschaftlicher Ebene erforscht. „Hier gibt es mehr Bäume und weniger Müll als in unserer Heimatstadt“, sagten die Beniner*innen. Doch es war auch Teil des Projekts, Dinge zu hinterfragen. So wurde dann auch darüber debattiert, wie grün und sauber Industrienationen auf globaler Ebene tatsächlich handeln. Die Jugendlichen trafen während ihrer Begegnung und Recherche immer wieder auf Widersprüche dieser Art. Von einem Stadtführer erfuhren sie zum Beispiel, dass unter Grünanlagen oft Trümmer liegen.
Theater stellt dem Menschen sich selbst gegenüber
„Theater ist etwas für jeden“, stellte Douriyath fest. Instagram und TikTok verstehe nur die Jugend und niemand schaue mehr Fernsehen. Das Theater sei ein Medium, das Menschen zusammenbringt und allen Generationen zugänglich ist. „Der ganze Zweck von Theater ist es, dem Menschen sich selbst gegenüberzustellen“, sagt Douriyath überzeugt. Auch Teilnehmer Emil hält große Stücke auf das Theater: „Lange Zeit dachte ich, es ist etwas Exkludierendes; dass nur Akademiker-Haushalte ins Theater gehen und man auch alles dazu gelesen haben muss. Das war immer eine Hürde. Durch die Theaterarbeit habe ich gelernt, dass es auch anders geht“. Dass Theater für alle da ist, wollte die junge Gruppe bei der finalen Aufführung unter Beweis stellen. Das gemeinsam erarbeitete Stück wurde auf öffentlichen Plätzen wie dem Marktplatz in Kyritz oder dem Lustgarten in Potsdam gezeigt und bildet den krönenden Abschluss des Projekts.